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Millenialcholie in Lets Talk About Feelings – Eine Leif Randt Rezension

Mittwoch, 10. September 2025

von Robinson Rönnfeld und Laura Klemm

Let' talk about feelings von Leif Randt BELLA triste Rezension von Robinson Rönnfeld und Laura Klemm

Der Name Leif Randt scheint in meinem Umfeld zu einer Art Pointe geworden zu sein. Gleichgesetzt mit einem toxischen Indie Boy, einem The Smiths Fan, einem Fuckboy, einem 90er Benjamin von Stuckrad-Barre, der seine Ex eine Hure nennt, Koks macrodosed und 18-Jährige dated. Viele dieser Leute in meinem Umfeld haben natürlich noch nie ein Buch von ihm oder vielleicht mal das erste Kapitel von Allegro Pastell gelesen.


Dass das alles dann gar nicht unbedingt zusammenpasst, ist ja klar, aber dennoch begs the question – Warum ist Leif Randt in meinem Umfeld zu dieser Pointe geworden?


Vielleicht war es der Klappentext von eben diesem Allegro Pastell, was in den ersten Corona-Monaten als DAS neue Popliteratur-Meisterwerk angepriesen wurde. „Eines der wichtigsten Bücher der deutschen Gegenwartsliteratur seit Christian Krachts ‚Faserland‘ – Die Zeit“, hatte KiWi groß draufgedruckt. Das gibt natürlich einen Male-Manipulator-Vibe. Dabei ist das Buch fast das Gegenteil: Die Charaktere sind beinahe offensiv vorsichtig und radikal unradikal. Das hat kaum etwas mit den zynischen Ich-Erzählern der Popliteratur-„Klassiker“ zu tun.


Wieso also diese Pointe? Vielleicht liegt es an einem unausgesprochenen Coolness- und Störfaktor im Konsum (ohne greifbare Konsumkritik), den Leif Randt nun auch in diesem Roman so gerne beschreibt. Joseph Steinschleuder fasst diesen Störfaktor ganz gut zusammen in seinem Song Allegro Pastell auf seinem Album In ein paar Jahren wird es Drip nicht mehr geben, zum Beispiel:


Meine damalige Freundin hatte sich erschrocken vor dem Milieu in dem Buch

weil die so reflektiert und ruhig waren

und ich dachte so

Wir sind doch auch so oder stimmt das gar nicht?


Vielleicht liegt es an eigenen Ängsten, vielleicht liegt es an mir, vielleicht macht es aber auch einfach Spaß, seinen Namen zu sagen. Vielleicht finden wir es am Ende dieser Rezension heraus.


Dieser Leif Randt (haha) hat nun also Anfang September einen neuen Roman bei KiWi veröffentlicht mit dem abschreckenden doch später logischen Titel Let’s Talk About Feelings. Den haben ich (Robinson) und ich (Laura) auf Kreta gelesen – wir haben also Leif Strandt gemacht.


Also, es fängt damit an, dass ich bei der Kriti-Taverne in Kastri auf Kreta stehe und ein Mythos-Bier aus der Dose trinke. Dabei habe ich Let’s Talk About Feelings unterm Arm – ein Buch, dessen Buchdeckel sich in der griechischen Sonne unglaublich verbogen hat. Ich denke über Marian Flanders nach und werde traurig.


Marian Flanders ist 41 Jahre alt und Inhaber einer Berliner Fashion Boutique, die High Fashion Labels aus der ganzen Welt führt und zwischendurch auch Imitate. Wir steigen ein zur Beerdigung seiner Mutter, dem berühmten Model Carolina Flanders, und begleiten Marian Flanders in dem Jahr nach ihrer Beerdigung. Let’s Talk About Feelings macht dabei genau das nicht, was es ankündigt: Über Gefühle sprechen. Aber warum werden ich (Robinson) und ich (Laura) dann so traurig, wenn wir über Marian Flanders nachdenken?


Ich würde fast sagen, dass Leif Randt Traurigkeit auf eine neue Art und Weise erzählt. Eine millennial coded Traurigkeit, die eher etwas von Melancholie hat. Marian Flanders würde von sich selbst auch nicht sagen, dass er traurig ist. Denn Marian Flanders geht in Restaurants, Bars, Clubs und Hotels, nach Osaka, San Adrés, Wolfsburg und Neu-Delhi, er trifft seine Freunde, seinen Vater und seine Schwester, er geht auf Dates, er konsumiert (Essen, Drinks, Drogen, Kleidung), er hat okay viel Geld und okay viel Erfolg und okay viele Bekanntschaften. Das alles wirkt auf den ersten Blick ziellos, auf den zweiten kuratiert. Marian Flanders Entscheidungen fügen sich in eine spezifische Ästhetik ein, der er sich verschrieben hat. Er sieht sich selbst als Person, die bestimmte Dinge tut und bestimmte Dinge kauft – weil er diese Dinge wirklich mag oder meta-mäßig mag. 


Marian Flanders wirkt in diesen Momenten mehr wie eine aesthetic als ein Mensch.

Und die Traurigkeit geht noch weiter. (1) Weil Marian Flanders ein hopeless romantic ist, aber (2) gleichzeitig nicht darunter leidet, dass die Hoffnungen, die er in platonische und romantische Verbindungen setzt, nie wirklich erfüllt werden. Und (3) weil er sich die ganze Zeit selbst beim Leben beobachtet und (4) nie unbeobachtet ist. Fast nie hält er sich in geschützten, privaten Räumen auf, selbst die explizite Sexszene am Ende des Romans findet im Freien statt – während gläserne Gondeln an Stahlseilen über ihnen entlangfahren, kommt Marian Flanders nach dem Sex mit seinem Crush turned Situationship in einen Busch.

Vielleicht erklärt es der Erzähler selbst am besten, als er von der Melancholie erzählt, mit der er sich jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen konfrontiert sieht.


Dazu passen auch Marian Flanders Observationen zu Mode, mit der er sich ja beruflich beschäftigt. Schon immer bezieht sich Kleidung auf Vergangenes, interpretiert sie im besten Fall neu. Diese Nostalgie schwappt immer wieder in Melancholie über. Man könnte also sagen, Marian Flanders ist es gar nicht möglich, etwas anderes zu sein als melancholisch. Und vielleicht hat Marian Flanders sich sogar bewusst mit seiner Berufswahl auch für die ständige Wiederholung der Vergangenheit, der ewigen Melancholie und das Wissen, dass die Zukunft, egal wie fortschreitend, immer in die alten Muster verfällt, entschieden.


Am Ende, denke ich, um die Beobachtungen zur Traurigkeit abzuschließen, ist Let’s Talk About Feelings ein moderner Trauerroman, der um eine riesengroße Lücke im Leben einer Person kreist. Auf der anderen Seite scheint auch jeder neu erscheinende Roman ein moderner Trauerroman zu sein.


Dazu wird es noch mehr meta. Marian Flanders hat in Indien bei einer Filmvorführung seiner Situationship einen Austausch über deren Film mit einem Praktikanten des Goethe-Instituts. Dieser „Austausch“ scheint wie ein Gespräch von Leif Randt mit Kritiker*innen, Joseph Steinschleuders damaliger Freundin und Leuten, die seinen Namen als Pointe benutzen:


Praktikant: Nun … Ich lese dieses getriebene Einkaufen in Outlet-Centern schon als Kritik an der Art und Weise, wie in heutigen Gesellschaften mit Verlust umgegangen wird. Dass man seinen Schmerz lediglich überdröhnt, in diesem Fall mit Designerklamotten zum halben Preis.“

Der Praktikant sagte das ungebrochen ernst, dass Marian fast lachen musste.


oder etwa


Im ersten Drittel von Foxtown [Titel des Films der Situationship], in dem es eine von klassischer Musik untermalte Montagesequenz gab, in der Hauptfiguren Milan und Sam beim Kauf von Sportsachen und Unterwäsche in großen Mengen gezeigt wurden, dachte Marian nun, dass man diese Szene durchaus als Konsumkritik lesen konnte, zumindest wenn man alles im Leben sehr ernst nahm.


Let’s Talk About Feelings macht Spaß. Die Sätze machen Spaß, die Charaktere und Melancholie machen Spaß, die Frustration beim Lesen macht Spaß. Ob man jetzt wirklich Bock hat, 41 Jahre alt zu werden, darf jede*r für sich selbst entscheiden.


7,95 von 10 Bellen


Let’s Talk About Feelings von Leif Randt
Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, September 2025
Hardcover, 320 Seiten
24 Euro

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